Die Idee für den Arbeitskreis entstand aus der Beschäftigung
mit den Projekten der Internationalen Bauausstellung "Emscher Park", wo
unter anderem Siedlungen neu errichtet wurden, die sich am Gartenstadtmodell
von Ebenezer Howard orientierten. Über die Gartenstädte landet
man unweigerlich beim klassischen Werkswohnungsbau, der im Ruhrgebiet in
großem Stile durchgeführt wurde als die Unternehmen nach einer
Möglichkeit suchten, ihre Stammarbeiter seßhafter zu machen.
Und der Werkswohnungsbau wiederum ist prinzipiell eine Unterart des sozialen
Wohnungsbaus. Angesichts der "perfekten" alten Werkssiedlungen und dem
krassen Gegensatz zum heutigen sozialen Wohnungsbau, der nicht nur zu wenig
sondern auch eher "unsozial" praktiziert wird, sollte der Arbeitskreis
sich mit den Problemen, den verschiedenen Ausführungen beschäftigen
und in der Diskussion mögliche Lösungsansätze für die
Zukunft entwickeln.
An dieser Stelle kann das Thema nur in groben Zügen umrissen werden.
Diese Seiten sollen den Interessierten einen Überblick bzw. über
die Literaturverweise einen Einstieg geben.
Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus
(aus: ...)
Rund 20% des Gesamtwohnungsbestandes der Bundesrepublik waren 1987 Wohnungen,
die nach 1948 im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus (1. Förderungsweg)
errichtet worden sind. ... Von den insgesamt über 7 Millionen seit
1949 gebauten Sozialwohnungen ist der größere Teil - rund 4
Millionen - der Kategorie der Mietwohnungen zuzuordnen ...
Als älteste Vorform des gegenwärtigen sozialen Wohnungsbaus
ist die staatliche Wohnungsfürsorge im Mittelalter in Form der Errichtung
stadteigener Mietwohnungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen
und für Bevölkerungsteile, die nicht zu einem Bürgerhaus
gehörten, zu nennen. Vor dem Hintergrund merkantilistischen Gedankengutes
erfolgte dann im 17. Jahrhundert und noch im 18. Jahrhundert eine Verstärkung
der Einflußnahme von Seiten des Landesherren im Bereich des Städte-
und damit auch des Wohnungsbaus. Der ab Ende des 18. Jahrhunderts festzustellende
Rückzug des Staates aus der Wohnungspolitik ... (ist) vor allem auf
die allmählich fast alle wirtschaftlichen und politischen Bereiche
durchdringenden liberalistischen Vorstellungen zurückzuführen.
Dennoch sind in diesem bis zum 1. Weltkrieg liberalistisch geprägten
Zeitraum Ansätze im Wohnungsbaubereich zu verzeichnen, die als direkte
Vorläufer des sozialen Wohnungsbaus des 20. Jahrhunderts einzuordnen
sind. So ist hier auf die seit Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende Tätigkeit
gemeinnütziger Baugesellschaften und -genossenschaften zu verweisen,
die von Vertretern einer Wohnreformbewegung auf privater Ebene gegründet
wurden. Die Verstärkung der Wohnungsnot, gerade in den letzten Jahrzehnten
des 19. Jahrhunderts und nach der Jahrhundertwende, führte vor allem
in den Großstädten zu umfangreicheren wohnungspolitischen Maßnahmen
auf kommunaler Ebene.
Trotz dieser genannten Ansätze ist, insgesamt betrachtet, bis
1914 der größte Teil der Neubauwohnungen von privaten Bauherren
und privaten Unternehmen errichtet worden. Der nachfolgende Zeitraum zwischen
1914 und 1933 ist als die eigentliche Entstehungsphase des sozialen Wohnungsbaus
zu bezeichnen. Der hohe Wohnungsfehlbestand nach dem 1. Weltkrieg führte
zu einer grundsätzlichen Änderung der staatlichen Wohnungspolitik
, die bis damals überwiegend vorherrschende Meinung, daß eine
umfangreiche öffentliche Wohnungsbauförderung nicht nötig
sei, wurde aufgegeben zugunsten der Bewertung des Wohnungsbaus als öffentliche
Aufgabe. In den Jahren bis 1929 wurden rund 75-90 % der Neubaujahrgänge
mit Hilfe staatlicher Mittel errichtet,... Die Tätigkeit der gemeinnützigen
Wohnungsunternehmen ging dann, wie auch die private Neubautätigkeit,
als Folge der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Anfang der 30er Jahre
zurück.
Nach dem 2. Weltkrieg war, ..., die Wohnungssituation in der Bundesrepublik
durch eine extreme Unterversorgung gekennzeichnet, ... Diese nicht mehr
nur die sozioökonomisch schlecht gestellten Haushalte, sondern breite
Schichten der Bevölkerung betreffende Wohnungsnot zeigte sich in einem
für 1950 geschätzten Wohnungsfehlbestand von 4.5 - 5.5 Millionen
Wohnungen, ... Zur Verbesserung der Wohnungssituation wurden umfassende
staatliche Maßnahmen ... als notwendig erachtet. Hierzu erfolgte
ein Rückgriff auf bereits vor dem 2. Weltkrieg eingesetzte wohnungspolitische
Instrumente wie Wohnraumbewirtschaftung, Mieterschutz und Mietpreiskontrolle.
Kurz-, mittel- und längerfristig am bedeutungsvollsten aber waren
Maßnahmen, die zusammenfassend als "sozialer Wohnungsbau" bezeichnet
werden.
Unterschieden werden muß im sozialen Wohnungsbau zwischen dem
1. und dem 2. Förderungsweg. Im 1. Förderungsweg, dem traditionellen
öffentlich geförderten Sozialwohnungsbau, erfolgte die Förderung
bis Ende der 50er Jahre fast ausschließlich über die Vergabe
von Kapitalsubventionen. Seither werden zunehmend und insbesondere seit
Mitte der 70er Jahre fast ausschließlich Ertragssubventionen vergeben,
die wegen ihres teilweise degressiven Förderungscharakters zu einer
Steigerung der Kostenlast für den Erbauer bzw. den Nutzer der Wohnung
im Zeitablauf führen.
Insgesamt sind in der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg rund 7.5
Millionen Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus gefördert
worden, wovon knapp 1 Million (13 %) auf den 2. Förderungsweg entfällt.
Die Förderungstätigkeit ist insbesondere im Mietwohnungsbereich
seit den 70er Jahren stark zurückgegangen, ...
Dilemmata der sozialen Wohnungspolitik
(aus: Eichener, Volker: Dilemmata der sozialen Wohnungspolitik,
Bochum 1994)
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Dilemma zwischen dem Verteilungsproblem und dem Effizienzproblem, d. h.
daß entweder eine förderungspolitisch effiziente Konzentration
der Mittel auf die oberen Einkommensschichten die sozialen Disparitäten
der Wohnungsversorgung verstärkt oder daß umgekehrt eine Konzentration
der Mittel auf die einkommensschwächsten Gruppen nur ein sehr niedriges
Neubauvolumen ermöglicht.
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Dilemma zwischen der Subjekt- und der Objektförderung, d. h. daß
eine Objektförderung verteilungspolitisch ungenau ist, während
die zielgenaue Individualförderung den Wohnungsbau nur unzureichend
anregt, von den Vermietern abgeschöpft wird und das Zugangsproblem
diskriminierter Gruppen nicht löst.
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Dilemma zwischen hohen und niedrigen Einkommensgrenzen im sozialen Wohnungsbau,
d. h. das Problem, daß der soziale Wohnungsbau einerseits bei höheren
Einkommensgrenzen zur Ausgrenzung der schwächsten Nachfragegruppen
führt, daß andererseits aber niedrige Einkommensgrenzen höheren
Subventionsaufwand erfordern und mit der Gefahr der künstlichen Ghettobildung
einhergehen.
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Dilemma zwischen dem quantitativen und qualitativen Versorgungsproblem,
das in den neuen Bundesländern eine besondere Schärfe aufweist,
wo der Staat zwischen Modernisierungs- und Neubauförderung zu wählen
hat.
Mögliche Gegenmaßnahmen
(aus: siehe oben)
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Beseitigung des verteilungspolitisch ungünstigen Progressionseffektes
in der steuerlichen Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums und
des Mietwohnungsbaus.
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Ankauf von Belegungsrechten im Bestand.
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Einführung höherer verteilungspolitischer Zielgenauigkeit und
Beseitigung der Fehldsubventionierung in der Objektförderung (z. B.
durch die einkommensorientierte Förderung)
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Verringerung der Ghettoisierungsgefahr durch die Auflage, in einem Objekt
stets verschiedene Förderwege zu mischen.
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Verbesserte Nutzung des Wohnungsbestandes durch Reduzierung der Unterbelegung
familiengerechter Wohnungen (durch Umzugsförderung, Veränderung
der Mietenrelationen u. a. Maßnahmen)
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Verringerung des Effizienzproblems durch Veränderungen des Fördersystems,
die mehr Anreize zum kostensparenden Bauen bieten.
Stichpunkte aus der Diskussion im Arbeitskreis (Donnerstag)
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Grundsätzliche Forderungen an den sozialen Wohnungsbau
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gute Wohnqualität für breite Bevölkerungsschichten bereitstellen
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Unterkunft für soziale Härtefälle gewährleisten
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Ansiedlung in sozialem Umfeld, Identifikation mit dem Wohnviertel muß
möglich sein
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keine anonymen Hochhäuser oder Schlafstädte!
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Angebotener Wohnraum muß bezahlbar sein.
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Ansätze zur Reduzierung der Baukosten
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Holz: geeigneter Baustoff, aber in Deutschland für Einzelhäuser
zu teuer, Fertigteilhäuser wären möglicherweise eine Alternative
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Bei der Erstellung von Wohnungen müssen gleichzeitig Parkplätze
geschaffen werden. Im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus könnte man
ihre Anzahl auf ein bestimmtes Minimum reduzieren.
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Kontrollen während der Planungs- und Bauphase verstärken. Stichwort:
Projektmanagement (angeführtes Beispiel mit 900 Mio. DM Baukosten
und 140 Mio. DM Einsparungen durch Projektmanagement)
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Ausstattungsgrad bei der Übergabe der Wohnungen runterschrauben, Eigeninitiative
der Mieter mehr fördern (Bsp.: Teppichboden, Tapezieren, Grünflächengestaltung)
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Zur Zeit geforderte Standards z. B. im Schall- und Brandschutz überdenken.
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Schon bei der Kalkulation Kosten für Bau, Lebensdauer und Abriß
in Betracht ziehen.
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Optimierung der Grundrisse
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Dachverträge: Belohnung für Bauunternehmer, die die veranschlagten
Baukosten und/oder Terminvorgaben unterschreiten.
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Problem: Billiges Bauen bedeutet meistens viele Subunternehmen mit geringer
ausgebildeten Fachkräften und Verwendung von Fertigteilen. Somit wirkt
sich die extreme Kostensenkung fast immer negativ auf die Qualität
der Wohnungen aus.
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Integrierte Planung: Einbeziehung aller Fachdisziplinen schon in der Planungsphase.
So werden frühzeitig Fehler vermieden und die Planungsphase verkürzt.
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Flächenverbrauch: Je kompakter desto billiger! Ständiger Verbrauch
von außerhalb liegendem günstigerem Bauland führt zu Zersiedelung
und ist damit auch keine Patentlösung.
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Nachverdichtung: Nutzung leerstehender Wohnungen (vermieten oder sanieren),
Dachgeschoßausbauten, Brachflächen, Lückenbebauung, Aktivierung
des innerstädtischen Baubestandes
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Nutzung verschiedener Finanzierungsmodelle, z. B. Beteiligung der Mieter
Besichtigung alter und neuer Gartenstadtsiedlungen im Ruhrgebiet (Samstag)
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Margarethenhöhe, Essen
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Welheim, Bottrop, Welheimer Straße
Literatur zum Thema
-
Neumann, Lothar F. (Hrsg.): Wohnungsmarkt in der Krise? Beiträge aus
der Praxis in Ost und West. Köln 1994
-
Zweites Wohnungsbaugesetz (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz - II. WoBauG)
in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 1994
-
Dörhöfer, Kerstin: Wohnkultur und Plattenbau: Beispiele aus Berlin
und Budapest Berlin 1994
-
Petsch, Joachim (Hrsg.): Architektur und Städtebau im 20. Jahrhundert.
Teil 2: Wohnungsbau, Sozialistischer Städtebau. 1975
-
Berger-Thimme, Dorothea: Wohnungsfrage und Sozialstaat. Untersuchung zu
den Anfängen staatlicher Wohnungspolitik in Deutschland 1873-1918.
Bern/Frankfurt 1976
-
Koengeter, Bernd (Red.): Gartenstädte und Gartenstadtbewegungen. Stuttgart
1994
-
Schollmeier, Axel: Gartenstädte in Deutschland: ihre Geschichte, städtebauliche
Entwicklung und Architektur zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Münster
1990
-
Mumford, Lewis: Die Stadt. Geschichte und Ausblick. München 1980
-
Ruhrlandmuseum (Hrsg.): Vom Hausen zum Wohnen: Wohnungsbau für Arbeiter
zur Zeit der Industrialisierung. Essen 1988
-
Röhner, Elisabeth (Red.): Sozialer Wohnungsbau und Stadtplanung. Stuttgart
1988
-
Frank, Folker (Red.): Sozialer Wohnungsbau - Ausführung, Beispiele.
Stuttgart 1988
-
Jacobs, Jane: Leben und Tod großer amerikanischer Städte. Frankfurt
1966
-
Howard, Ebenezer: Gartenstädte von morgen: das Buch und seine Geschichte.
Hrsg. v. Julius Posener, Berlin 1968
-
Hilpert, Thilo (Hrsg.): Le Corbusiers "Charta von Athen": Texte und Dokumente.
Braunschweig 1988
-
Krückemeyer, Thomas: Gartenstadt als Reformmodell: Siedlungskonzeption
zwischen Utopie und Wirklichkeit. Siegen 1997
-
Eichener, Volker: Neue Anforderungen an die Wohnungswirtschaft vor dem
Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen: die Wohnungswirtschaft in
der Verflechtung mit anderen Politikfeldern, Bochum 1994
-
Eichener, Volker: Dilemmata der sozialen Wohnungspolitik, Bochum 1994
-
WWW-Seiten des Deutschen Mieterbundes, e.V.: http://www.mieterbund.de/